TEAMBRENNER Lichtblicke Interview Martin Neuhof Fotograf Gestalter

TEAMBRENNER Lichtblicke – Interview Martin Neuhof

Verrückte Zeiten & die Welt steht Kopf. Wie sie diese Herausforderung bewältigen, welche ungewöhnlichen Wege sie gehen, was sich für sie persönlich verändert & was sie sich für die Zukunft wünschen – das haben wir zuversichtliche Menschen gefragt, die mit TEAMBRENNER eng verbunden sind. Heute mit Martin Neuhof, Fotograf und Gestalter aus Leipzig.

Stell dich bitte vor: Wer bist du?

Mein Name ist Martin Neuhof, ich bin Fotograf und Gestalter in und aus Leipzig. Ich bin seit zehn Jahren selbstständiger Fotograf und nutze meine Fähigkeiten gerne auch in einem aktivistischen Umfeld.

Stell dir vor, Corona wäre tatsächlich nur eine mexikanische Biermarke, was würdest du dann in dieser Zeit des Jahres regulär tun? Welche Projekte lägen derzeit auf deinem Tisch?

Ich glaube, ich würde aktuell meine Herzkampf-Ausstellung planen. Die leider wegen Corona letztes Jahr genau um die Zeit ins Wasser fallen musste. Herzkampf ist ein fotografisches Projekt. Dort fotografiere ich Menschen, die sich für ein weltoffene Gesellschaft einsetzen. Das kann ein Politiker sein, der Gründer einer Initiative für Geflüchtete oder aber auch eine Spieleerfinderin sein.

Ihr wisst gar nicht, wie sehr es mir unten den Nägeln brennt, diese Ausstellung endlich durchzuführen, mit viel Publikum und einer tollen Vernissage. Ich glaube, eh ich da Planungssicherheit habe, vergehen noch ein paar Monate.

Was hat dich in den vergangenen Monaten beruflich besonders gefordert, was vermisst du in deinem Alltag? Was hat sich an deiner Art zu arbeiten am spürbarsten verändert ?

Mein Joballtag wird mit FFP2 Maske durchgeführt. Wenn du Menschen fotografierst, musst du in sehr kurzer Zeit eine Bindung zu diesen Personen aufbauen. Wie schafft man eine lockere Atmosphäre während eines Business-Portraitshooting? Indem man selbst locker ist und durch die eigene Mimik, diese wird mir aber durch eine Maske leider genommen. Als Fotograf dient man oft als „Spiegel“. Lächle ich, als Fotograf, lächelt auch mein Gegenüber. Nur mit Maske fällt das weg, daher bedarf es noch mehr Kommunikation, um ein lockeres Umfeld zu schaffen.

Ich fotografiere im Jahr zwischen 20-30 Hochzeiten, 2020 nur elf, dieses Jahr (stand März 2021) werden auch wieder viele dieser verschobenen Hochzeiten zum zweiten Mal verschoben. Man erlangt keine Planungssicherheit, dafür werden die Jobs viel kurzfristiger und das fordert mehr Flexibilität von mir.

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Was glaubst du generell: Wie wird sich unsere Arbeitswelt künftig wandeln, welche Chancen und neuen Möglichkeiten erwartest du?

Ich glaube, die Leute merken schon, dass Konsum vielleicht doch nicht ganz so wichtig ist und die Gesundheit im Vordergrund steht. Man hat doch gemerkt, wie innerhalb von ein paar Wochen die Welt Kopf stehen kann. Ich glaube, man versteht so langsam, wie wichtig die Digitalisierung ist und wie weit hinten Deutschland da liegt. Es wurde über viele Jahre einfach verschlafen, ordentliche Strukturen zu schaffen. Es muss normal sein, im Homeoffice zu sein, es muss normal sein, dem Arbeitnehmer im Homeoffice zu vertrauen. Bei freier Arbeitseinteilung ist man grundsätzlich produktiver, das erlebe ich als selbstständiger Fotograf jeden Tag.

Wie gehst du ganz persönlich mit dieser Achterbahnfahrt um, welche Strategien & Hilfsmittel nutzt du, um dich & dein Team trotz der Umstände zu motivieren?

Am Anfang, als im März 2020 alles auf der Kippe stand, war ich sehr am Boden zerstört. Meine Frau war im sechsten Monat schwanger und ich dachte: „Was passiert hier jetzt bitte?“ Ich war definitiv überfordert, aber nach ein paar Wochen des Stillstandes und allen abgesagten Jobs, ging es langsam wieder.

Ich habe wieder mehr Webseiten gestaltet, das war gut, gerade wenn man als „One-Man“-Show Fotos und Gestaltung gleichzeitig mit anbieten kann. Nach ein paar Wochen habe ich dann auch den Kopf wieder hochgezogen und zu mir gesagt: „Ey, es geht gerade allen so. Kopf hoch, du hast schon so viel geschafft.“
Dann kam der Sommer und im August hatte ich einen spürbaren „Nachholeffekt“. Im Winter habe ich dann meine Website komplett neu aufgestellt und überarbeitet und versucht mein Netzwerk zu erweitern. Ich probiere gerade in der jetzigen Zeit hilfsbereit zu sein und diverse Projekte zu unterstützen und mein eigenes Herzkampf-Projekt  wieder neu zu starten.

Welche gesellschaftlichen Schlussfolgerungen sollten wir deiner Meinung ziehen, was sollten wir künftig miteinander besser machen?

Der Verwaltungsapparat ist enorm schwerfällig und viel zu langsam, man hat das Gefühl, niemand möchte Verantwortung übernehmen. Es sollte gerade in Krisenzeiten weniger Bürokratie und mehr Menschlichkeit gezeigt werden. Wie kann es sein, dass Novemberhilfen erst im Februar ankommen? Wir brauchen allgemein in der Politik mehr Kreativität und mehr Gestaltung und mehr Mut als Verwaltung. Klimafreundliche Innovationen, Digitalisierung und Solidarität müssen Hand in Hand gehen können.

Scheinbar ein Bonus in diesen Tagen: Wir alle haben mehr Zeit! Was stellst du damit an? 

Als frisch gebackener Papa, ist die Strukturierung des Alltags relativ unspektakulär. Dennoch probiere ich fast jeden Tag im Studio vorbeizuschauen und meinen Arbeitsalltag zu erledigen. Nur die Müdigkeit ist derzeit mein ständiger Begleiter.
Um mir den Spaß an der Fotografie zu behalten, probiere ich derzeit auch neue Stimmungen und Lichteffekte bei meinen freien Fotoprojekten aus. Dies kann ich dann wiederum für meine Jobs nutzen. Ansonsten habe ich vor ein paar Wochen eine schöne Plakatkampagne fotografiert, die auf das Clubsterben in Leipzig aufmerksam macht. Unter duhastesinderhand.info kann man die Kampagne betrachten und auch ein wenig Geld spenden, dies kommt dann dem Livekombinat-Leipzig zugute.

Stell dir vor, du könntest schon nächste Woche gemeinsam mit unseren ECHTENBRENNERN ein After-Corona-Event an den Start bringen: Was würdest du kreieren?

Ich glaube, ich würde alle meine Freunde und meine gesamte Familie einladen und ein großes Grillfest im Rosental veranstalten. Das Motto wäre „Back in Life“.

Gute Fotos gesucht oder einfach von Martins Arbeit beeindrucken lassen?

Es wird Zeit, Flagge zu zeigen! Besuche Martins Fotoprojekt über Menschen, die sich gegen Rassismus, Homophobie und für eine gerechtere Welt einsetzen.